Tag 35 | 39, 04. – 07.08.2022, Santiago de Compostela – Negreira – Mazaricos – O Ezaro – Finisterre – Kap Finisterre, Fin de Mundo, 99 km
Das Ende der Welt und das Ende meines Caminos – Epilog
Von Anfang an hatte ich mit dem Gedanken gespielt, dass ich noch von Santiago bis ans Kap in Finisterre laufen wollte. Das bedeutete, noch weitere 4 Tage laufen, ca. 99 Kilometer mit allem drum und dran. Der Abschied von Santiago viel nicht so schwer, denn die Stadt war einfach zu voll und nach so vielen Tagen in eher kleinen Städten unterwegs zu sein und oft ganz alleine, da fiel mir die Umstellung in der großen Stadt doch sehr schwer. Also hieß es wieder alles packen, Schuhe an und los. In der Dämmerung bin ich über den Campus der Uni gelaufen und eine Frau rief aus ihrem Auto mir zu: Buen Camino, Peregrina. Ist ein tolles Gefühl!! Ich wußte nicht, was mich erwartet: sind es noch viele Pilger:innen, kommen neue dazu, trifft man noch ein paar Alt-Pilger:innen?? Nach einem kurzen Anstieg und einer Kurve erhascht man noch einen letzten Blick auf Santiago. Und siehe da, ich war nicht alleine. Immer wieder wurde ich überholt. Sogar von einem Pilger mit Esel. Die Landschaft ist super schön, aber es ging doch ganz schön rauf und runter. Irgendwie hatte ich die Hügel aus meinem Gehirn verbannt. Gegen frühen Nachmittag habe ich dann Negreiro erreicht, Ende für den Donnerstag. Dort habe ich dann doch glatt noch Roland wiedergetroffen, der mit dem Fahrrad aus Süddeutschland gestartet war und sich nun stolze ca. 3000 km schon erarbeitet hatte.
Am Freitag fiel mir der Start erstmal sehr schwer. Mein Körper hat keine Lust mehr und die Diskussionen sind doch sehr intensiv, zumal erstmal 12 Kilometer kamen mit so gar nichts, also keiner Pausenmöglichkeit. Dann endlich eine Bar und ich konnte mich ausruhen und was essen. Ein Katzenkind fand meine Wanderschuhe und insbesondere meine Schnürsenkel super und spielte erstmal ausgiebig mit diesen. Herrlich das zu beobachten. Der Nachmittag lief dann besser, zumal ich Clemens aus Bergisch Gladbach getroffen hatte. Er ist auch bereits seit 2200 km unterwegs: erst einen Teil mit dem Fahrrad und dann zu Fuß mit seinem Handkarren, den er hinter sich her zieht. Er schien sehr kaputt und so konnten wir uns gegenseitig seelisch stützen, damit wir gut ins Ziel kamen. Da er zelten wollte, trennten sich unsere Wege in Mazaricos. Auch wenn ich relativ früh da war, konnte ich nicht mehr viel unternehmen. Ich war einfach zu müde.
Am Samstag hat mich mein Weg ans Meer etwas vom Camino abgebracht, was sich aber als toll herausgestellt hat. Keine Pilger:innen, wirklich keiner davon unterwegs und die Landschaft war einfach nur schön. Außerdem hatte ich zwei treue Begleiter: ein Beagle und ein großer Mischling haben mich 13 – 15 Kilometer begleitet bis erst der Kleine und dann der Große einfach nicht mehr konnten. Ich hoffe es geht ihnen gut. Mein Ziel für den Tag war O Ezaro, ein kleiner Ort direkt am Meer. Endlich das Meer sehen, damit das erste mal auch das Kap und dann auch noch direkt am Meer liegt nicht nur der Ort, sondern auch mein Hotel. Frank, meine spezielle Reiseleitung hatte toll ausgesucht. Bei Ankunft musste ich erstmal die Füße in den Atlantik halten. Nicht zu fassen, jetzt ist es nur noch eine Etappe.
Von Ezaro zieht sich der Weg nochmal so richtig hin. Im Hotel gab es viel zu spät Frühstück, also erstmal ohne los. Im Ort selber gab es wirklich gar nichts, was offen hatte. So musste ich wieder erstmal laufen, laufen, laufen. Das Ganze bei tiefstem Nebel. Schöne Etappe, so der Plan, an der Küstenstraße entlang mit tollem Blick, aber den gab es nicht, aber auch so gar nicht. Dichter Nebel herrschte bis nach Cee. So zog es sich noch mehr. Endlich, nach 9 Kilometer kam ein kleiner Ort. Aber eigentlich wollte ich erstmal nach Cee, wo auch wieder der Camino lag. Da komme ich an einer Bar vorbei und am Fenster sitzt John aus Amerika – Alt-Pilger. Großes Hallo und Kaffee. Er wollte noch am selben Tag bis hoch ans Kap, also brach er bald auf. Ne, ich wollte einfach erstmal nach Finisterre und dann erst am Montag in Ruhe ans Kap und ohne Rucksack und vielleicht mit weniger Touristen, die per Auto, Bus oder Wohnmobil anreisen = Tourigrinos. Das letzte Stück war dann eigentlich ganz ok und endlich am langen Strand von Finisterre angekommen konnte ich auch das Meer wieder sehen. Die letzten drei Kilometer lief ich am Strand und musste dann aber doch den Berg in die Stadt hoch, um festzustellen, dass ich wieder 1,5 Kilometer zurück musste, da mein Hotel im Vorort lag. Oh nein, das tut weh. Aber auch das hatte ich bald geschafft und konnte sogar am Nachmittag noch ans Meer. Die Füße, und auch nur die, denn das Wasser des Atlantiks ist doch sehr sehr kalt, sagten hallo der weiten Welt.
Wie geplant bin ich heute früh los und bin die 6 Kilometer ans Kap gelaufen – Fin de Mundo, wie früher gesagt wurde. Von dort ging es nach Amerika über die Weiten der Meere. Ich hoffte auf wenig Menschen, da es Montags keine Bustouren aus Santiago dorthin gibt. Die Strecke war leicht, insbesondere ohne Rucksack und kurz nach 9 Uhr hatte ich den 0 km Stein erreicht und habe mich noch etwas weiter vorne ans Kap gesetzt. Da stieg wieder Nebel auf und gab dem Ganzen eine besondere Atmosphäre. Langsam kamen auch immer mehr Menschen und der Souvenirladen machte auch um 10 Uhr auf. Das war das Zeichen für mich, nun den Weg wieder nach Finisterre anzutreten, aber diesmal sehr langsam, denn es war alles erledigt – 900 km waren gelaufen und das in 37 Tagen. Auf dem Rückweg habe ich noch Bianka aus Deutschland getroffen. Wir hatten uns auch immer wieder in den letzten Wochen gesehen. Fast zurück am Strand habe ich dann auch noch Florian und seinen Freund getroffen – meine Güte, was es alles gibt!! Der Jakobsweg ist besonders. Den letzten Kilometer konnte ich wieder am Strand laufen und meinen Camino enden lassen. Morgen versuche ich noch meine Compostela Finisterre zu bekommen. Ja, die gibt es auch!!
Es war ein langer Weg mit vielen Strapazen, ein emotionaler Weg, positiv und negativ, es war ein Kennenlernen von mir und anderen Menschen. Es tat oft seelisch und körperlich weh, aber nun kann ich sagen – ich habe es geschafft. Es wird nachklingen, wenn ich wieder zu Hause bin und Dinge werden sich fügen. Aber der Stolz und die Freude es geschafft zu haben, sind nicht zu beschreiben!!!
Buen Camino!!
Nachtrag:
An dieser Stelle möchte ich allen danken, die meinen Blog gelesen haben, sich an meinen Fragen beteiligt haben und Fragen eingebracht haben – da geht bestimmt noch mehr.
Ganz besonders möchte ich Frank danken, der seit über 5 Wochen für mich bucht und immer für mich da war an guten und an schlechten Tagen. Wir sehen uns bald!! 🙂
Auch Dank an Miriam, dass Du meine Beiträge so schnell immer hochgeladen hast. Auf Dich war immer Verlass. Danke Eberhard, dass Du mich mit Blog und Miriam unterstützt hast.
Danke an Lars, Erik, Gunter, dass Ihr mir mein Freisemester ermöglicht, meine Vorlesungen übernommen und die Stellung gehalten habt. Hier auch der Dank an Torsten und den Fachbereich. Das Fachliche folgt in anderer Form, denn einiges muss noch nachgearbeitet werden.
Dorthe, danke fürs Wohnung hüten, Andreas fürs Degro hüten (der Räuber) und danke an alle anderen, die mir gut zugesprochen haben, dieses Abenteuer einzugehen. Und dass ich dies gewagt habe, bin ich per se dankbar. Ich werde es nie vergessen und der Camino – mein Camino – wird mich immer begleiten.
ENDE
Tag 34 | 03.08.2022, Pedrouzo – Santiago de Compostela, 20 km
Ein Engel mit Licht und Ankommen in Santiago
Meine Güte habe ich einen Tag vorher nachgedacht, wie ich es heute am letzten Tag machen soll. Irgendwie hat mir mein Gefühl gesagt: geh früh los, denn es werden viele Menschen und gerade die jungen ankommen. Gut, so schön ist Pedrouzo auch nicht, dass ich abends lange machen würde. Aber was essen musste ich noch und siehe da, ich traf noch die Schotten aus meiner Unterkunft in Sarria mit denen ich dann auch gegessen habe. Aber nun war der Plan gefasst, der da hieß: sehr früh los!! Das hieß dann auch: früh ins Bett. Da ich eh dauermüde bin, war es auch kein Problem, früh ins Bett zu gehen. Um 4 ging der Wecker (echt, will ich das?) und um 4:45 Uhr stand ich unten auf der Straße. Ups, doch noch sehr dunkel. Der Mond half nicht so recht und dann war es auch noch bewölkt. Ok, erstmal die Straße lang und noch ein paar Schnappschüsse gemacht. Soweit kein Problem, aber dann ging es von der Straße ab in einen Eukalyptuswald und es war sehr sehr dunkel. Gut, Handy hat ja Licht. Hinter mir hörte ich schon länger einen anderen Pilger laufen. Das Geräusch des Stockes oder der Stöcke geht einem irgendwann ins Blut über. Sollte mir unwohl sein? Ach, einfach weiter laufen. Im Wald war einfach ohne eigenes Licht nichts mehr zu sehen, nichts. Aber der Pilger hatte eine Stirnlampe und der Lichtschein reichte auch für mich. Er hielt immer Abstand, aber nur so, dass ich ausreichend sehen konnte. An der nächsten Weggabelung hatte er mich eingeholt und meinte: ich bleibe nun bei Dir, bis es hell wird, damit Du sicher in den Tag kommst. Das hat dann noch 1,5 h gedauert, denn der Tag ließ auf sich warten. Die Nächte werden doch schon länger. So liefen wir miteinander Santiago entgegen und die Stadt zeigte sich auch schon mit seinem eigenen Licht. Mein Engel mit Licht war Andrea aus Rom und wir unterhielten uns schnell über Essen. Herrlich, Pilger:innen denken immer an Essen!!
Gegen 7 Uhr wurde es deutlich heller und der Wald lag hinter uns. So zog Andrea seinen Schritt an, nicht ohne sich vorher von mir zu verabschieden. Ich hatte Hunger und schon bald tauchte eine Bar auf. Genau richtig jetzt. Dort waren auch schon eine Gruppe Brasilianer, die ich auch schon seit vier Wochen immer wieder sehe. Gestärkt ging es an die letzten 10 Kilometer – Santiago ich komme. Bald war der Rand der Stadt erreicht. Vorher gibt es noch die letzte Erhebung bevor es in die Stadt geht – Monte de Gozo, von wo man normalerweise schon die Kathedrale sehen kann, aber nicht so heute, alles bewölkt und keine Sicht. Außerdem war alles zu dort. Also weiterlaufen, sind ja auch nur noch 4 Kilometer von dort. Jetzt begann das Einlaufen ins Ziel. Ja, ich war aufgeregt. Man sieht teilweise Bilder, dass sich Pilgerströme in die Stadt ziehen. Bei mir war es leer. Ich kam an einer Busreise vorbei. Die Leute waren gerade ausgestiegen und es war toll, denn sie feuerten mich: go go its not far anymore. Was ein Gefühl. Ich gehöre zu den Altpilgern und habe es geschafft. Noch einmal eine große Straße überqueren und die Altstadt fängt an. Es hilft nicht, ich musste noch mal auf Toilette, denn den großen Moment wollte ich nicht stören. Schnell noch was trinken und weiter – noch 800 Meter und ich lief nicht alleine ein!!! Was Internet alles möglich macht.
In der letzten Kirche vor dem Platz an der Kathedrale wollte ich noch einen Stempel holen, aber die Kirche war nicht besetzt. Schade, weiter, den Berg hinunter, da kommt der Tordurchgang, der einen dann auf den Platz führt. Ein besonderer Moment, der Torbogen ist vorbei und der Blick auf die Gebäude am Platz wird frei: erst das Gebäude gegenüber der Kathedrale, rechts das riesige Edel-Hotel der Kirche, dann geht der Blick nach links und man sieht all die anderen Pilger:innen und Touristen, erhascht schon die Freude der Gleichgesinnten und dann drehe ich mich um und da ist sie, die Kathedrale von Santiago de Compostella in voller Pracht. Dieser Moment ist besonders und geht einem durch und durch. Leider kann ich es hier kaum in Worte fassen. Ken aus den USA kam auf den Platz (er war schon einen Tag vorher angekommen) und hat Bilder von mir gemacht. Die gehören dazu!! Danach hieß es schnell die Compostella abholen, also meine Pilgerurkunde und der Nachweis über meine gelaufenen Kilometer. Am Pilgerbüro hatte ich vor drei Jahren 5 Stunden gewartet, aber diesmal ging es wirklich schnell: QR Code scannen, Formular ausfüllen, Nummer ziehen und zack 10 Minuten war ich schon wieder raus mit meinem Zettel. Die Kirche wird eben auch moderner. Bevor ich ins Hotel bin, wollte ich noch die Atmosphäre auf dem Platz genießen, der sich sehr schnell füllte, denn immer mehr der Jugendgruppen liefen ein unter lautem Hallo. Ich wurde sogar von einem normalen Tourist fotografiert: oh eine echte Pilgerin, wie sie da auf ihrem Rucksack auf dem Platz lag. Witzig!!
Eigentlich war mein Plan noch in die Pilgermesse um 12:30 Uhr zu gehen, aber bereits um 11:45 Uhr war eine Schlange dort, die unübersehbar lang war. Ok, vielleicht bekomme ich nochmal eine Chance, aber das ist mir grad echt zuviel. Daher ab ins Hotel, denn die Wäsche muss auch noch erledigt werden. Nach Wäsche (nun habe ich auch die Erfahrung eines Waschsalons gemacht) und einem Schläfchen hat es mich wieder in die Stadt gezogen. Die war nun wirklich voll von Pilger:innen (hier kommen ja auch alle Caminos zusammen), Jugendlichen und normalen Touristen und der Platz war gesperrt für ein Konzert nur für die Jugendlichen. Bin ich froh, dass ich so früh los bin, denn andere, die später kamen hatten nur einen vollen Platz oder gar einen gesperrten Platz vorgefunden. Wie enttäuschend muss das sein, dass man nach 800 km nicht zur Kathedrale kann. Ein bisschen Bummel durch die Altstadt, noch Abendessen mit ein paar Alt-Pilgern:innen und um 22 Uhr lag ich dann im Bett. Konnte nicht einschlafen, denn was war das für ein Tag! Rund 800 Kilometer liegen hinter mir und 34 Tage der Wanderung mit vielen vielen Herausforderungen. Ist es nun vorbei? War es das? Nein, denn morgen laufe ich nochmal in vier Tagen ans Cap de Finisterre – El Fin de Mundo.
Das bedeutet, dass ich doch nochmal einen Eintrag hier im Blog mache, wo ich die vier Tage zusammenfassen werde. Ein bisschen möchte ich jetzt bei mir sein. Wir lesen uns! 🙂
Tag 33 | 02.08.2022, Boente – Pedrouzo, 29 km
Kleine nette Dinge, die einem begegnen
Heute ist Tag 31 der Wanderung, 770 km liegen hinter mir und morgen heißt es Einlaufen in Santiago. Um 6 Uhr hieß es frühstücken und mit dem Sonnenaufgang den schönen Ort in Boente verlassen. Was ein Himmel. Leider hatte ich schlecht geschlafen und so war der Start in den Tag eher mühsam. Langsam habe ich mir die ersten Kilometer erarbeitet. Heute war der Tag der kleinen Begegnungen. Das erste war der Automat für Getränke, natürlich gedacht für die Pilger:innen. Diese findet man schon die ganze Zeit auf dem Camino. Meist sind sie eher nicht zugänglich oder leer. Aber dieser, da hätte ich zuschlagen können, aber ich war ja versorgt.
Immer Wieder haben sich kleine Dinge gezeigt: ein Plakat, ein kleines Dorf am Weg oder kleine Gedenkplätze, wo Pilger:innen Gedanken, Gebete, Fotos oder kleine Geschenke ablegen. Mein morgendliches Highlight war die junge Frau mit dem Dudelsack und ihrem Freund mit Trommel. Schon lange vorher konnte man die beiden hören. Toll!!! Ein paar Kilometer weiter war dann eine ganz besondere Bar. Alle möglichen Gebäude auf dem Gelände bzw. Gebäudeteile waren mit Flaschen verziert. Die Idee ist, dass man ein Peregrina Bier trinkt und dann die leere Flasche mit einem Stift beschriftet. Nun liegt dort auch eine von mir und in Gedenken an einen besonderen Menschen.
Weiter geht es und um die Ecke findet sich eine Wand mit alten Wanderschuhen, die jemand liebevoll drapiert hat. So gehen die Kilometer dahin. Diese kleinen Hüttchen stehen immer noch überall herum. Was sind sie denn nun? Ein paar Antworten habe ich bekommen, aber da geht doch noch was. Macht mit. Was sind das für kleine Gebäude und welchem Zweck dienen sie? Weiter auf dem Weg hatte ich wieder eine besondere Begegnung: Eukaplytusbäume!! Habe ich erst auf dem Camino kennengelernt. Der Duft ist deutlich zu erkennen. Und was mich auch freut: es sind wenig Jugendliche unterwegs und die, die einen überholen oder begegnen sind sehr leise geworden. Vielen sieht man an, dass sie sehr kaputt sind. Viele haben Schmerzen. Irgendwie tun sie mir leid. Ein bisschen müssen sie noch durchhalten. Der Camino macht das mit einem, wir alle wissen es. Auch heute ging es wieder bei später 30 Grad auf und ab, auf und ab, auf und ab. Zwischendurch dachte auch ich mal wieder: ich kann nicht mehr. Da helfen einem die kleinen Begegnungen doch sehr.
Als noch 5 Kilometer anstanden, musste ich doch noch eine Pause einschieben. Ich konnte nicht mehr. Dort traf ich dann noch Klaus (er hatte mich mit seiner Geschichte den Berg nach O`Cobreiro hochgezogen) wieder. Ich dachte er ist hinter mir, aber er beichtete dann auch schnell, dass er einen Teil mit dem Fahrrad gefahren ist. Zack war er in Sarria, um dann doch mit mir hier in Pedrouzo zu sein. Nach meiner letzten Pause ging es dann wirklich schnell und meine Unterkunft war erreicht. Der Abend war dann voll von Begegnungen mit Alt-Pilger:innen: alle finden sich hier wieder: Lukas und Florian aus Deutschland, May aus Japan, die drei Schotten, ein Inder, zwei Italienerinnen, drei Amerikaner….. das wird ja ein Einlaufen morgen nach Santiago. Ich freu mich drauf. Morgen heißt es dann auch Abschied nehmen von Euch, denn es wird den letzten Eintrag hier geben erstmal. Aber soweit ist es noch nicht, denn ich muss ja noch 18 Kilometer laufen.
Buenas noches!
Tag 32 | 01.08.2022, Palas de Rei – Boente, 22 km
Der Countdown läuft und aufkommende Verwirrtheit
Nach meinen Erfahrungen von Samstag und Sonntag mit den Riesen- – und ich erinnere nochmal gerne – Riesen-Gruppen an jungen Leuten auf dem Weg, hatte ich heute morgen beschlossen, einfach länger zu schlafen und später loszugehen. Die Etappe war ja nicht so lang also gut zu machen und die Idee war damit, dass alle großen Gruppen schon durch sind. Gesagt getan, schön früh ins Bett und sicherheitshalber Ohropax ins Ohr. Meine Güte habe ich manchmal gute Ideen, denn um 6 Uhr wurde ich dumpf durch Geräusche geweckt. Zum Glück nur dumpf. Was war denn da draussen los? Neugierig geworden, habe ich mich ans Fenster gehängt und siehe bzw. höre da: eine riesige Gruppe an jungen Leuten stand im Kreis an der Kirche und sang. Kann man ja machen, aber wirklich in Schallnähe meines Fensters? Egal, ich hatte gut geschlafen und war entspannt und habe mich einfach wieder hingelegt – mit Ohropax! Etwa 10 Minuten später wurde es wieder laut, diesmal noch näher an meinem Fenster. Ich wieder ans Fenster: ah, die Betreuer der Gruppe, also das Versorgungsschiff, sass noch bei einem Zigarettchen und tauschte sich über keine Ahnung was LAUT aus. Ok, dann einfach noch etwas chillen!!!
Diesmal wollte ich auch frühstücken vor dem Start und eine Bar um die Ecke war auch schon auf. Zwei Tische waren schon mit jeweils 5 – 6 spanischen Pilgerinnen aller Altersgruppen besetzt. Ich setze mich an den Tisch einer Gruppe von jungen Frauen im Alter von ca. 20 Jahren: Kaffee con leche, O-Saft und Toast. So kann der Tag beginnen. Die Mädels machten sich langsam auch reisefein, ja genau!! Eine junge Dame stand auf und stand mit dem Po direkt 20 cm vor meinem Toast. Ihre Po-langen Haare hat sie dann noch elegant über meinen Tisch samt Frühstück gewedelt. Ein Zopf musste her und so stand sie dann mitten im Cafe und bereitete ihre Haare zu einem Zopf, so das ich das Gefühl hatte, die Haare im Gesicht zu spüren. Ihre Freundin wurde davon angesteckt und tat es ihr gleich, zum Glück hatte sie wesentlich kürzere Haare. Hmmm, kann man machen, muss man aber nicht. Verwirrt liessen sie mich zurück.
Der Tag und meine Etappe verliefen danach zum Glück eher ruhig. Meine Strategie war aufgegangen. Langsam bewegte ich mich vorwärts, bergauf bergab, plötzlich roch es nach Minze. Wie das jetzt? Schnell war die Quelle gefunden: zwischen einem Stein und einer Rose fand ich die Minze. Ach herrlich. Weiter ging es. Immer wieder treffe ich doch noch Alt-Pilger:innen, was dann immer ein großes Hallo ist. Und dann ist da noch dieses Rätsel seit zwei Tagen: was sind denn das für komische Hüttchen auf Stelzen? Wisst Ihr das? Schreibt mir gerne Eure Antworten!!!
Ach ja, Eure Meinung ist mir immer noch wichtig. Daher macht bei meiner Umfrage mit oder schickt den Link an Freunde und Verwandte!!. Je mehr Antworten ich bekomme, desto besser die Auswertung.
Frage 1: Wie oft und bei welcher Tätigkeit denkst Du an Abfall?
Frage 2: In Deutschland trennen wir Abfall direkt am Haus. Wie sinnvoll ist das?
Frage 3: Wie kann noch Abfall vermieden werden? Was und Wer kann was tun?
Schickt uns Eure Antworten als Video, Tonaufnahme oder Text mit folgenden Angaben an die untenstehende Mail-Adresse:
- Alter
- Geschlecht
- Nationalität
- Wohnland
Auch Eure Fragen zu Abfall und Recycling nehme ich gerne auf. Ihr seid ein Teil der Lösung. Macht mit!!! (gleiche Email Adresse wie oben)
Ich bekomme Fragen und Antworten auf meine Fragen und das macht mich: Happy!!!
Tag 31 | 31.07.2022, Portomarin – Palas de Rei, 26 km
Der Tag der gemischten Gefühle
Heute hieß es um 7 Uhr mit Christine treffen, um die nächste Etappe anzugehen. Aber ich möchte noch erwähnen, dass der gestrige Abend wirklich noch schön und entspannt verlief. Christine und ich hatten uns schnell auf ein Restaurant zum Essen geeinigt: El Mirador und der Ausblick war wirklich spektakulär. Das Essen eben auch. Frühstück am Morgen gab es leider nicht, aber unsere Strategie war, dass 7 Uhr eine gute Zeit war, die riesigen Massen an jungen Leuten zu vermeiden. Die Rechnung haben wir wohl ohne den Wirt gemacht, denn es waren viele, sehr viele, noch mehr als viele. Wenn ich ehrlich bin, fühlte ich mich gestresst. Sie kam von allen Seiten, laut, durcheinander redend, eigene Musik an, diese sehr laut und stoben an einem vorbei ohne jegliche Rücksichtnahme. Ja, dachte ich mir, sie haben alles Recht auch hier zu sein, der Weg ist für alle, aber dennoch war es heftig. Überall musste man ewig anstehen, egal wo wir hin kamen, gab es einen riesigen Pulk. Ehrlich: es war schrecklich!!! Wie wir erfahren haben, ist es wohl die Woche der Jugendlichen und daher gehen so viele Schulen auf diese 100 Kilometer. Man kann ihnen nicht ausweichen!!
Ich hab schnell gemerkt, dass ich ohne Frühstück einfach keine Kraft hatte, aber wir sollten ca. 9 Kilometer laufen, bevor wir ein Cafe gefunden hatten, welches einigermaßen leer war. Endlich konnten wir frühstücken. Danach ging es etwas besser, etwas. Mir ging es beim Laufen soweit ganz gut. Die Schulter tut mir etwas weh seit gestern. Jeden Tag eine neue Stelle. Ich versuchte mich abzulenken mit Podcasts. Es half so lala. Bei Kilometer 17 war Christine an ihrem Zielort und es hieß Abschied nehmen. Es war ein intensiver Austausch mit ihr, so war ich schon etwas traurig, als wir uns trennen mussten. Aber wir wollen in Kontakt bleiben. Ein bisschen weiter den Weg habe ich eine längere Pause eingelegt und hatte die Gelegenheit, noch mit drei “Alt-Pilger:innen” zu sprechen, die ich schon einige Tage immer wieder gesehen hatte. Ja, man erkennt sie: etwas verwahrlost, braune Waden, schlechte Laune durch die Veränderung auf dem Weg. Alle wünschen sich auf den Weg vor Sarria zurück. Wir sind alle sehr müde nach 720 Kilometer. Und dann nun in den Massen zu laufen verlangt uns alles ab. Was ist die richtige Strategie? Viel früher laufen? Viel später? Ich weiß es grad nicht. Manchmal, wenn alles zusammen kommt, wünsche ich mir, dass ich meiner eigentlichen Planung im Mai zu starten gefolgt wäre. Da wäre mir einiges erspart geblieben. Aber sicher war es für was gut und ich hätte die tollen Menschen, die ich getroffen habe, verpasst. El Camino.
Durch meine Pause bin ich wirklich nun hinter die kämpferischen Truppen gefallen und laufe so langsam nach Palas de Rei ein. Die Herbergen haben immer mehr auch Privatzimmer im Angebot und so auch diesmal für mich. Es ist stets alles neu. Als ich dort ankam, habe ich mich über das schöne Zimmer gefreut und vom Balkon habe ich den Blick auf die Schlafsäle, die ich inzwischen liebevoll Ställe nenne. Nach getaner Wäsche und Abendessen (es gab Pulpo der Region, gerade hier in der Gegend eine Spezialität) saß ich entspannt auf dem Balkon und schaute den Massen zu. Irgendwohin gingen sie. Vor mir liegt eine Kirche und daher kam Gesang. Neugierig geworden bin ich doch noch runter und konnte das Ende der Pilgermesse und Segen erfahren. Sehr schön und bewegend. Ich war versöhnt. Morgen werde ich ausschlafen und in Ruhe frühstücken. Teil der Strategie??
Tag 30 | 30.07.2022, Sarria – Portomarin, 23 km
Ja, wo laufen sie denn? Von Sarria an ist alles anders
Was ein Frühstück!! Marsala, die Herbergsmutter, ist großartig. She knows what Pilgrims need!!! Alles was das Herz möchte war beim Frühstück am Start: O-Saft, Kaffee, Brot, Rührei, Pancakes, Aufschnitt, Obst und selbstgemachte Marmeladen. Und meine Wegbegleiterin Christine aus Amerika saß am Tisch. Wir haben uns sofort gut verstanden. Ich hatte etwas Bedenken wegen des Tages, da ich ja am Vortag so Schmerzen hatte, aber erstmal frühstücken. Später als gewollt, aber mehr als ok sind wir dann zusammen auf den Weg gestartet. Keine Schmerzen, das war erstmal das Wichtigste. Heute war alles anders. Viele, gerade Spanier, fangen erst in Sarria ihren Camino an. Und was soll ich sagen, ja, nun ist es voll. Außerdem hatten wir das Glück in eine Gruppe Jugendlicher zu geraten, die diesen Weg als Schulevent gehen: 130 !!! Wow, es ist anders. Wir sahen wirklich Schaaren von Pilger:innen. Sie werden Plastic-Pilgrims genannt, da sie so neu sind. Wir alten Pilger:innen fallen kaum noch auf. Komisch und wir “Alten” sind uns einig: alles ist anders ab Sarria. Egal, Christine und ich haben die ganze Zeit geredet und gar nicht gemerkt, wie die Zeit und die Kilometer vergingen. Da war alles bei und manchmal war es auch emotional. Das ist der Camino und ich bin so dankbar für den Tag.
Nach 12 km brauchten wir eine Pause und zum ersten Mal in vier Wochen musste ich anstehen am WC. Die jungen Leute sind sehr aufgeschlossen und nett. Sie können ganz gut Englisch sogar und wollen auch wissen, was uns bewegt den Weg zu gehen. Schön zu sehen, wie international aufgeschlossen sie sind. Es ist genau dies das Besondere, dass wir uns von überall auf der Welt treffen hier auf diesem einen Weg und uns austauschen. Ich spreche gerade so viel Englisch, dass ich manchmal sogar mit mir selber auf Englisch spreche. Oh weia, ist das auch der Camino und ich drehe langsam durch? Nein, nein, keine Angst, es geht mir gut.
So ging es weiter: Kühe, Kuhfladen, Pilger:innen, kleine Dörfer… Und nun bald war der 100 km Stein erreicht. Fotos, Fotos, Selfies, Videos… muss doch festgehalten werden. Herrlich, wie man sich freuen kann. Aber eins ist sicher, dieser Stein und Ort ist ein anderer, als vor 3 Jahren. Guckt selber!!! Heute habe ich dann auch gehört, dass Teile des Weges alle paar Jahre verlegt werden. Nun glaube ich es und beim Verlegen bauen sie bestimmt auch noch ein paar Hügel mit ein. Soll ja auch ein bisschen spannend bleiben. Nun blieben nicht mehr so viele Kilometer, was aber auch gut war, denn wir wurden müde und die Füße signalisierten dies mit: wir tun jetzt mal weh. Ca 3 km vor Portomarin gibt es eine Weggabelung und wir mussten entscheiden, welchen Weg wir gehen. Der eine war 100 m kürzer und der andere hatte noch eine Herausforderung in Form eines steilen Teilstückes über eine Art Felsentreppe. Ja, wir sind den längeren und schwierigeren Weg gegangen und besonders, da dieser Weg weniger Pilger:innen hatte. War dann auch gar nicht so schlimm und schnell waren wir an der Brücke, die nach Portomarin hinein führt. Eine spannende Geschichte über die Stadt sagt, dass die alte Stadt geflutet wurde und die Kirche dann auf den Berg, dem jetzigen Standort, verlegt wurde. Bei der Überquerung der Stadt sieht man dann auch die Ruinen des alten Ortes.
Eine Herausforderung wartet dann noch auf die Pilger:innen: in die Stadt führt eine steile Treppe. Tja, nach 23 km in den Knochen oder besser noch, nach fast 700 km wahrlich ein Angang, aber das haben wir gelernt: ist halt so, hilft ja nichts. Christine ging dann links weg in ihr Hotel (wir sehen uns später zum Essen) und ich musste noch etwas den Berg hoch ins Zentrum des Ortes, wo sich auch die Kirche nun befindet. Was ein Empfang wurde mir denn hier bereitet: Kirchenglocken und Böller. Ach nein, es ist eine Hochzeit und just in dem Moment, wo ich die Kirche vor mir habe, kommt das Brautpaar raus. Toll!! Soll ja Glück bringen. Ja, das habe ich gerade!! Danke.
Tag 29 | 29.07.2022, Triacastella – Sarria, 17 km
Kühe, Kuhfladen und kleine Dörfer
27 Tage wandern, 672 Kilometer und noch 210 Kilometer zu wandern, das ist der heutige Stand. Ich kann es nicht fassen, dass ich nun in Sarria bin. Morgen wartet der 100 Kilometer Stein auf mich, aber dazu morgen mehr. Erst mal der heutige Tag. Ob man das riecht? Das habe ich mich heute ein paar Mal gefragt. „Was riecht?“, fragt ihr? Na die Kühe!!! Oder besser ihre Hinterlassenschaften. Gestern hatte ich ja schon das ein oder andere Kuhbild gemacht. Seit ich in Galicien bin, führt mich der der gelbe Pfeil durch viele kleine Dörfer (oft wieder mit vielen zerfallenen und verlassenen Häusern). Schnell wird einem klar, wovon die Menschen hier leben: Kühe und was damit zusammenhängt. Alle Wege durch die Dörfer sind mit Kuhfladen bedeckt, der Geruch eben dieser hängt in der Luft und ich habe das Gefühl, dass der Geruch an mir kleben bleibt. Oft kommen einem kleine Herden entgegen, die von Hunden auf dem Weg gehalten werden. Das habe ich auch noch nicht gesehen. Hirtenhunde für Kühe, nicht Schafe.
Meine Stimmung heute ist eher gedämpft. Die Landschaft ist toll und der Weg nicht schwierig, aber meine Füße haben mir den gestrigen Tag noch nicht verziehen und das Laufen ist wieder schmerzerfüllt. Leider bleibt das Genießen da etwas auf der Strecke. Zum Glück ist es heute eine kurze Etappe. Was hier auch verrückt ist: eigentlich sagt das Wegprofil es geht bergab, aber es geht in Wirklichkeit ständig rauf und runter. Und wenn die Straße doch runter geht, wird ein Hügel extra für die Pilger:innen eingebaut, damit die Herausforderung auch da ist. Dies ist meine Theorie, anders kann ich mir die vielen Hügel nicht erklären. Bei meiner letzten Pause treffe ich noch Lukas. Den hatte ich ein paar Tage schon nicht mehr gesehen. Auf den letzten 4 Kilometer nach Sarria holt mich Didie aus Frankreich bzw. jetzt Kalifornien ein. Auch wir sehen uns immer wieder seit Tagen. Er merkt, dass ich recht fertig bin und bietet mir noch an, meinen Rucksack zu tragen, aber das verbietet mir mein Stolz. Nein, ich schaffe das und so ist es auch: Sarria ist erreicht, die Stadt, die kurz vor dem 100 Kilometer Stein liegt und von wo viele Pilger:innen starten, damit sie noch eine Compostella bekommen. Nun heißt es ab morgen jeden Tag zwei Stempel als Nachweis sammeln.
Meine heutige Unterkunft ist ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, welches früher die Post beherbergte. Die Herberge wird von einem Ehepaar aus Madrid geführt, die nach ihrem 7. Camino ihr Leben ändern wollten. Das haben sie getan und betreiben diesen Ort mit viel Liebe. 7 Caminos laufen, bis man sein Leben ändert? Nein, das muss schneller gehen!!!!
Tag 28 | 28.07.2022, Las Herrerias de Valcarce – Triacastella, 28 km
Ruff auf den Berg, runter vom Berg – was machen wir hier?
Vor dieser Etappe hatte ich mächtig Respekt. 730 m hoch und 720 m wieder runter und das alles geballt auf wenigen Kilometern. Dazwischen viele Auf uns Abs auf dem Bergrücken. Aber es nützt ja nichts. Außerdem wollte ich unbedingt nach O’Cebreiro, ein wirklich süßer Ort auf dem Gipfel mit einem atemberaubenden Blick. Da ich wusste, dass der Tag mit 31 Kilometer auf mich wartete und ich sicher langsam am Berg rauf wie runter bin, hieß es früh aufstehen. 5:30 Uhr stand ich draußen und es war doch noch sehr dunkel. Mit Hilfe der Straßenlaternen konnte ich gut sehen. Da tauchte dann auch ein Stilleben: „Waschmaschine by night“, auf. Die Freude der Laternen war von recht kurzer Dauer und bald war da nichts als Sterne, die mir den Weg wiesen. Bald ging es von der Straße ab und rein in den Berg. Da kamen von hinten zwei Spanierinnen (wußte ich dann erst später). Also, was ich sah, waren zwei Lichter. Also beschloss ich zu warten, damit sie mit dem Licht an mir vorbei waren, denn ohne konnte ich besser sehen. Die eine war wohl irritiert und schien mir so richtig mitten ins Gesicht. Nicht schön. Sie an mir dann vorbei und etwas später haben sie gewartet, weil sie mir helfen wollte. Das fand ich ja dann doch sehr nett, denn so ist es auf dem Camino: man hilft sich.
Mein erstes Ziel war La Faba, ein kleiner Ort ca. auf der Hälfte zum Berggipfel. Eine Pause und Frühstück wollte ich dort machen. Aber leider kam es anders, denn als ich dort um ca. 7 Uhr ankam war das Cafe, auf das ich gehofft hatte, eine Brandruine. Oh nein, wie schade. Es war so liebevoll geführt gewesen. Und für Gilian hieß es: weiterlaufen mit hängendem Magen. Was lernt man hier auch: es ist wie es ist! Nach einer Weile kam ein Pilger von hinten, naja ist ja bei meinem Tempo auch nicht schwer, dass jemand schneller ist. Klaus aus Deutschland. Ich hatte ihn schon die Tage vorher gesehen und ihn erst als Franzosen eingeordnet. Er merkte wohl, dass ich etwas litt am Berg und so blieb er an meiner Seite und erzählte mir seine Lebensgeschichte. Erst war ich mir nicht sicher, ob ich das gut finde, aber dann merkte ich, dass es eine Ablenkung war und er mich den Berg quasi nach oben gezogen hat. Kurzer Kaffee-Stop, Fotoshooting an dem Grenzstein nach Galizien und schneller als gedacht erreichten wir O’Cobreiro. Danke Klaus.
Dieser Ort ist wunderschön und hat einen tollen Ausblick über die Bergwelt. Kurz habe ich die kleine Kirche im Ort besucht. Dort findet man noch Mönche, die die Betreuung übernommen haben. Eine ganz besondere Stimmung findet man dort vor. Eine weitere Sehenswürdigkeit liegt rechts neben der Kirche: die Büste von Elías Valiña Sampedro. Er war ein Pfarrer, der den Jakobsweg wiederbelebt hat. Auf ihn gehen die gelben Pfeile zurück, mit denen er es den Pilger:innen einfacher machen wollte, ihren Weg zu finden. Na und da ich ja noch kein Frühstück hatte, konnte ich hier endlich zuschlagen: Käse aus dem Ort mit Toast und einem tollen Kaffee con leche.
Nun hieß es Abschied nehmen und weiter laufen. Noch 20 Kilometer waren zu bewältigen. Es lief erst wirklich gut, aber nach und nach ließen meine Kräfte nach und die Beine wurden schwer. Das lag nicht zuletzt an den vielen kleinen Bergen und Tälern, die man sich erarbeiten mussten. Meine Güte war ich müde und dann stehe ich plötzlich vor einem Berg mit einem Gefälle von mindestens 15%. Das ist doch nicht euer Ernst? Doch war es. Also ruff auf den Berg. Oben angekommen, fand sich direkt eine Bar und ich sah mein Kaltgetränk schon auf dem Tisch. Eine Gruppe von Spaniern begrüßten mich mit hallo und Glückwünschen. Auch schön.
Eine weitere Stunde habe ich dann mit einer Französin bestritten, die aber dann ihre Etappe abgeschlossen hatte. Immer noch 9 Kilometer, nimmt das denn kein Ende? Es ging nur steil, und ich meine steil, bergab, was meine Füße und Zehen mir sehr übel genommen haben. Mein Kilometer Fortschritt wurde zusehends ein Meter Fortschritt und gefühlt kam ich einfach nicht an. Endlich, um 17:30 Uhr, nach verschiedenen Wutausbrüchen und der wiederholten Frage, was ich hier eigentlich mache, kam ich in Triacastella an und meine Unterkunft war schnell gefunden. Tolles Zimmer versöhnte mich etwas und Wäsche konnte ich auch machen. Heute tut mir einfach alles weh. Schlafen hilft bestimmt.
Tag 27 | 27.07.2022, Cacabelos – Las Herrerias de Valcarce, 31 km
Nur die Straße und Autos meine Begleiter
Diese Etappe ist eine der langweiligsten des ganzen Jakobsweges. Da ich das ja schon wusste, hat mich nichts so richtig aus dem Bett geschubst. Aber um 6:40 Uhr ging es dann doch los. Das erste Stück ging noch und führte mich nach 6 Kilometer nach Villafranca de Bierzo. Ein wunderschöner Ort und das Tor zur heutigen Langeweile. Da ich es nicht so recht eilig hatte, habe ich dort noch ordentlich gefrühstückt und mich noch kurz mit John aus Amerika unterhalten. Ja, man trifft sich immer wieder. Aber es half ja nichts, ich musste los. Warum eigentlich langweilig? Die Etappe führt einen fast 80% der Strecke an einer viel befahrenen Straße entlang und nur über Asphalt. Gruß an die Füße und Gelenke. Die einzigen Begleiter – Autos!!! So geht es wirklich Kilometer um Kilometer und ich freute mich schon auf ein kühles Getränk nach 5 Kilometer. Aber was soll ich sagen – Cerrado. Der ganze Ort war quasi ausgestorben und an der einzigen Bar hing das ernüchternde Schild. Weiter mit meinen neuen Buddies. Nach einer Weile qualmten meine Füße so sehr, dass ich auf die Wanderschuhe gewechselt bin. Ich hoffe es geht gut! So kam ich viel schneller voran, prima.
Nach einer kurzen Pause und noch verbleibenden 10 Kilometer war das Ende der Langeweile absehbar. Ca. 6 Kilometer vor Ziel wandelte sich der Weg und die Landschaft zeigte wieder ihr schönes Gesicht. Immer wieder schöne Skulpturen von Pilgern im klassischen Gewand mit Pilgerstab und Kalebasse. Ja, trinken ist wichtig. Begleitet wurde ich nun vom kleinen Fluß Rio Valcance. Alle Orte nun haben den Zusatz im Namen, wie auch mein Ziel. Am Ende dachte ich allerdings, dass der Ort mit dem idyllischen Hotel mit dem sehr treffenden Namen: Paraiso del Bierzo nie auftaucht und dann doch nach der Kurve hinter der Kurve hinter der Kurve, da liegt es und begrüßt mich von seiner schönsten Seite. Dieses Hotel liegt so großartig im Tal am Fluss und von der Terrasse hat man einen tollen Blick auf das Tal und – den Berg, den es morgen zu bezwingen gilt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Was mir noch heute aufgefallen ist: ja, grüne Energie ist hier auch Thema. Ein riesiges Solarpanel Feld lag da am Hang (ich würde die Wartung nicht gerne übernehmen) und dann sieht man auch Schilder in den Fenstern der Bewohner, dass sie sich gegen einen riesigen angedachten Windpark aussprechen. Sind wir Nationen nicht alle doch gleich?!
Tag 26 | 26.07.2022, El Acebo – Cacabelos, 31 km
Steil bergab über Stock und Stein und toter Wein
Das war noch ein Abend am Montag: den Nachmittag hatte ich mich ausgeruht und irgendwie kam mir in den Sinn, Krizstina aus Ungarn mal zu schreiben, wo sie denn gerade ist. Das letzte Mal hatte ich sie in Fromista gesehen. Wird bestimmt dauern, bis sie antwortet. Um 7 Uhr bin ich zum Essen – ich muss ja bei Kräften bleiben. Sitze in dem einzigen Abendessen servierenden Restaurant im Ort und da kommt die Frau aus Polen (hatte sie mal interviewt und das letzte Mal in Sahagun gesehen) rein. Na da essen wir doch gemeinsam. Wir tauschten schnell aus, was so die letzten Tage passiert ist, das Pilgermenü hat uns begleitet und als wir bei der Hauptspeise angekommen sind, steht plötzlich Krizstina neben uns. Ist das verrückt? Oder der Camino? Wir haben dann noch zu dritt gesessen und es war eine schöne Stimmung. Krizstina ist auch noch im selben Hotel wie ich und hat das Zimmer neben mir…
Da ich wusste, dass die nächste Etappe mit einem sehr steilen Abstieg einhergeht und ich diesen sicher nicht im Dunkeln absolvieren wollte, habe ich um 6 Uhr erstmal in Ruhe gefrühstückt. Der Herbergsvater hat alles mit einer super viel Liebe zubereitet. Dazu kamen noch Robin und Graig aus Kanada und schnell waren wir ins Gespräch vertieft. Aber es nützt ja nichts, die 30 km warten. Auf auf… der Angang war echt gut und der Abstieg nach Molinaseca ging wirklich gut, besser als erwartet. Der Weg hat wirklich seine Herausforderungen, vielleicht zeigen die Bilder es ein bisschen. Nach ca. zwei Stunden habe ich über die alte römische Brücke den Ort betreten, der so langsam aus dem Schlaf erwachte. Ich wollte aber noch weiter nach Ponferrada und dort eine längere Pause einzulegen. Um 11 Uhr habe ich auf die Burg der Templer geschaut und noch meine Gedanken gen Köln geschickt.
Die nächsten 15 km haben sich leider sehr gezogen. Inzwischen bin ich im Bierzo angekommen, ein Weingebiet in der Region Leon. Und den Wegweiserstein mit unter 200 km nach Santiago habe ich auch hinter mir gelassen. Immer wieder fällt mir auf, wie verlassen die kleinen Dörfer leider wirken. Auch ist mir aufgefallen, dass viele Weinflächen ebenfalls verlassen und verwahrlost wirken. Es macht einen traurigen Eindruck. Noch 6 km to go und Zeit für eine kleine Pause muss sein. An der Wand der Bar hängt wieder ein Poster zum Thema getrennte Sammlung von Verpackungen und Camino. Aber wirkliche Umsetzung findet dies alles hier nicht wirklich – schade.
Endlich um 16 Uhr erreiche ich Cacabelos. Das hat sich echt noch gezogen, aber als ich das alte Gebäude des Hostals betrete ist schon alles verflogen. Sieht wirklich toll aus – danke an meine Reiseleitung. Was würde ich ohne Dich tun??
Tag 25 | 25.07.2022, Rabanal del Camino – El Acebo, 17 km
Tolle Landschaften, weite Aussichten und Erscheinungen am Himmel
Dritter Tag ohne Pflaster und Schmerzen und es lief super. Da heute eine kurze Strecke anstand, bin ich etwas länger im Bett geblieben. Aber um 6:45 Uhr stand ich dann doch schon auf der Straße, denn die Fußpflege ist ja wesentlich schneller nun. Direkt mit Rabanal kommt ein gutes Stück Bergauf, aber der Weg läuft sich gut und die Temperaturen sind viel angenehmer geworden. Belohnt wird man mit tollen Aussichten über die Berge. Frühstück wartete nach ca. 5 km in Foncebadon, einem kleinen Ort auf 1430 m. Eine kleine Herberge begrüßt seine Gäste mit tollen Dingen und bei mir gab es Toast mit Käse und Avocado, Cafe con leche, Orangensaft und noch ein Crepe. Ich konnte einfach nicht anders.
Gestärkt und guter Laune ging es weiter den Berg rauf bis zum Cruz de Ferro auf 1500 m, der höchsten Stelle des Camino. Ich konnte sogar ein Bild ohne Menschen erwischen. Der Brauch für Pilger:innen besagt hier, dass man einen Stein aus der Heimat mitbringt und hier auf den Haufen wirft und damit seine Sorgen dort lässt. Da liegt er nun der Stein vom Rhein. Das Original Kreuz steht sicher in Astorga im Museum. Besser ist das, denn dieses Wegkreuz wurde vor einigen Jahren Opfer von Vandalismus. Es fällt auch hier auf dem Weg auf, dass so viel an Schildern, Jakobsmuscheln oder Wegweisern bemalt, beklebt oder sonst verschandelt wird. Ich habe da so gar kein Verständnis für. Warum muss man sich derart verewigen? Und damit wird es für die anderen weniger schön. Was sind das für Menschen?
Ich laufe weiter auf dem Bergkamm und genieße die Landschaft. Es ist so grün und dann dazwischen blühende Heide. Dann wird von mir der nicht-geborenen-Gazelle bei einem recht steilen Abstieg einiges abverlangt, vor allem Vorsicht, denn schnell vertritt man sich hier auf dem Geröll. Plötzlich taucht hinter einer Kurve das heutige Ziel auf: El Acebo. Auch dieses ist ein sehr altes Dorf aus dem Mittelalter, gebaut aus Schiefer, welches das Hauptbaumaterial der Gegend hier ist. Gerade bin ich drüber gelaufen. Die Häuser sehen sehr einladend aus mit ihren kleinen Balkonen. Leider auch hier sind viele Häuser verlassen und Baufällig. Vor drei Jahren war hier noch mehr los und wahrscheinlich hat auch hier die Covid Zeit einiges verändert.
Meine Unterkunft ist ganz entzückend und ich kann von meinem Bett aus die Aussicht auf die Berge genießen. Toll!! Aber was ist das? Da bilden sich doch komische Gebilde am Himmel? Ufos? Fremde Wesen? Schnell Prof. Google gefragt und es sind WOLKEN. Das ist ja ein Ding, die habe ich ja seit drei Wochen nicht gesehen.
Liebe Leser:innen, denkt bitte daran den Link zu teilen und uns die drei Fragen zu beantworten!!! Es dauert auch nicht lang!!
Tag 24 | 24.07.2022, Astorga – Rabanal del Camino, 21 km
Erkenntnis darüber, in welchen Varianten man den Camino machen kann
Irgendwie kam ich heute nicht so richtig aus dem Bett. Da ich heute nur 20 km vor der Nase hatte, habe ich etwas länger geschlafen. Heute Abend beim Durchschauen der Bilder bin ich froh, denn ich konnte die Morgenstimmung in Astorga einfangen. Mein Ziel ist es erstmal ca. 10 km zu laufen, um dann eine schöne Frühstückspause zu machen. Kurz hinter Astorga mache ich den Schnappschuss mit dem alten Mann links an der Straße, der “Spazieren” geht. Das fällt mir hier schon seit drei Wochen auf: die Spanier gehen wahrscheinlich zur gesundheitlichen Ertüchtigung spazieren. Sie sehen meist eher aus, dass sie einfach so ein bisschen sich bewegen, aber dennoch sieht es dann nach Sport aus, aber in normaler Kleidung. Was mir auch auffällt, dass es ganusoviele Männer machen. In Deutschland sehe ich eher Frauen, die so spazieren gehen. Hier ist es voll im Trend und dieser alte Mann hat mich zum Lächeln gebracht, denn den Wanderstock, den er dabei hat, entpuppt sich als Längenverstellbarer Besenstiel.
Die folgenden km plätschern so vor sich hin und man merkt nun, dass der Camino viel voller wird. Aber da ich im Allgemeinen langsam bin, sehe ich mich schnell wieder alleine auf dem Weg. Bald erreiche ich den Ort des Frühstücks Begehrens. Nach einer Weile kommen drei Amerikaner an mir vorbei und John bleibt stehen. Wir hatten uns morgens schon in Astorga gesehen. Er spricht mich an und dann kommt die Frage der Fragen auf dem Camino: warum gehst Du den Weg? Die Geschichte habe ich nun doch schon einige Male erzählt und vielleicht sollte ich mal eine neue erfinden. Interessant war aber für mich, was er erzählte: er ist gerade den Camino Portugues gelaufen und zwar als Freiwilliger bei der Begleitung von Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Was es nicht alles gibt. Ich habe schon den Jogger getroffen, Blinde, Camino mit Hund (allerdings sehe ich dies sehr kritisch. Heute habe ich einen Mann mit einem großen Hund in der Mittagshitze gesehen und dieser Hund hat einen schrecklichen Eindruck gemacht, Glücklich war der nicht). Wahrscheinlich gibt es alles. Da John eh in Spanien war, hat er sich entschlossen den Frances noch anzuschliessen.
Ich laufe weiter und genieße die neue Landschaft. Es riecht so herrlich nach Nadelhölzern. Bei meiner letzten Pause treffe ich eine Deutsche, die ihren zweiten Tag gerade bestreitet. Sie hat Blasen und kommt nur langsam voran. Wir gehen ein paar km zusammen weiter, aber braucht doch sehr viel Zeit und so gehe ich dann die letzten 3 km wieder mit meinem Rythmus weiter. Ein kleiner Weg, aber mit Extra Motivation ist noch zu erklimmen. Ach wie herrlich, ich komme in Rabanal del Camino an und diesen Ort mag ich sehr. Meine Unterkunft ist zum verlieben in einem alten Steinhaus im typischen spanischen Stil. Aber einen Nachteil hat diese, denn es gibt keinen Wäscheservice und so ist Handwaschtag. Es ist nötig!!!!
Bald gibt es Essen und ich freue mich auf mein Pilgermenü. Jammi!!
Nachtrag: meine Füße sind weiter gut und ich hatte heute den zweiten pflasterfreien Tag.
Tag 23 | 23.07.2022, Villadangos del Paramo Astorga, 30 km
Happy feet – happy Pilgrim und erst recht happy Gilian
Heute Nacht kam ich mir wie in einem dieser amerikanischen Roadmovies vor: das Motel am Rande der Straße mit dem blinkenden Hotelschild und genau dieses hing direkt vor meinem Fenster. Klar, ich hätte alles zu machen können, aber dann wäre ich wahrscheinlich erstickt. Egal, es wartet das nächste Hotel auf mich in Astorga. Im Hostel gab es Frühstück inklusive, und das ab 6 Uhr früh, irgendwie habe ich es mir schon gedacht: Milchkaffee war tatsächlich nicht genießbar und zu essen konnte man sich aus einer Grabbelkiste eingesiegelte Muffins und ähnliches raussuchen. Für eine Notration immer gut dabei zu haben. Also stand ich dann recht zügig um 6:20 Uhr auf der Straße und ging meinen Tag an. Seit 21 Tagen wander ich nun, davon 19 Tage mit Schmerzen. Jeden Morgen denke ich genau darüber nach bei meinen ersten vorsichtigen Schritten. Aber was soll ich sagen: nichts, zum ersten Mal nichts. Es tat nichts weh. Nicht mein dicker Zeh und auch meine kleinen Zehen hatten die beleidigte Diskussion mit mir eingestellt. Ich konnte es gar nicht glauben, aber es war wahr und so bin ich dann happy, happy vorangeschritten. Na, so kommt man natürlich viel besser voran. Nach guten zwei Stunden hatte ich mein Pausenziel – Puente de Orbigo im Ort Hospital der Orbigo- erreicht. Direkt an der Brücke ist ein Cafe, eine richtige Oase. Toll! Tortilla, Orangensaft, und einen guten Milchkaffee. Herrlich!
Diese Brücke ist wirklich schön und es macht gestärkt über diese zu schreiten. Man weiß ja auch, dass nun ein Anstieg folgt. Den hatte ich allerdings viel schlimmer in Erinnerung. Diesmal ging es flott nach oben – happy feet – und oben angekommen wartete eine weitere Oase auf mich. Es mutet etwas wie eine Hippie Kommune, aber alles mit viel Liebe vorbereitet. Die Pilger:innen finden einen reichlich gedeckten Tisch mit Früchten und Getränken vor, an denen man sich für eine Spende bedienen kann. Toller Stop. Er lädt sogar ein mit Matrazen und Hängematten zu einem längeren Verweilen, aber danach war mir dann doch nicht. Wie gesagt, hatte was von Hippie.
Also habe ich mich an die letzten 12 km gen Astorga gemacht. Der Weg lässt sich wirklich gut laufen und es fällt auf, dass sich die Vegetation völlig geändert hat. Viel viel mehr Grün und ich meine nicht nur die Maisfelder, die natürlich auch schon eine Abwechslung zu den Weizenfelder in der Meseta sind. Auch heute ging mir wieder durch den Kopf, wie wenig Abfall herumliegt. Klar, hier und da sieht man was weggeworfenes, aber alles hält sich in Grenzen. Leider an unmöglichen Stellen, wie zum Beispiel einer alter Zugang zu einer Bodega (Weinkeller, siehe Bild Freitag Tag 22) und mehr in den Städten findet man doch Ansammlungen von Abfall jeglicher Art. Sieht dann aus, als ob jemand seinen losen Abfall von zu Hause dort ablädt.
Erreicht man das Wegkreuz Crucero de San Toribio kurz vor San Justo de la Vega sieht man schon in der Ferne Astorga liegen. Die 4 km sind auch schnell geschafft, noch meine Cousine angerufen: Happy Birthday!! und so kam ich schon am Fuße Astorgas an. So nach 30 km ist man ja schon kaputt und dann kommt wieder die klassische Pilger:innen Prüfung des Jakobsweges: ein steiler Aufstieg. Diesmal eine doppelte Prüfung: ab über die Bahngleise und dann noch den Berg hoch nach Astorga. Aber da war dann auch direkt mein Hotel. Nun wieder Entspannung angesagt 🙂
Tag 22 | 22.07.2022, Leon – Villadangos del Paramo, 20 km
Was gestern die Weizenfelder sind heute die Autos auf der Hauptstraße
Heute habe ich etwas länger geschlafen. Das Bett war aber auch einfach zu gemütlich und bei dem Gedanken an die heutige Etappe lockt mich auch so gar nichts wirklich aus dem Bett. Aber dann muss es ja mal sein. Um 7 verlasse ich das Hotel und mache mich quer durch die Stadt wieder entlang der gelben kleinen Helfer. Es ist trist, so arm teilweise. 7 lange km geht es durch doch recht heruntergekommene Stadtteile von Leon. Auch in den letzten Tagen ist mir immer wieder durch den Kopf gegangen, wie verlassen viele der Dörfer gewirkt haben oder wahrscheinlich auch sind. Sicher verlassen gerade viele junge Leute die Dörfer ihrer Eltern und Großeltern, um ihr Glück in den Städten oder gar Ausland zu versuchen. Schon traurig, denn teile sieht man noch die Hinweise auf eine bessere Zeit.
Schritt für Schritt – paso a paso – verlassen ich Leon und hangel mich entlang der Hauptstraße dem Zielort entgegen. Viel gibt es leider nicht zu berichten und auch nicht zu fotografieren. Nach 20 km erreiche ich Villadangos und damit meine Unterkunft: ein Hostel an der Hauptstraße. Meine Güte sieht das von außen aus. Aber drinnen und gerade das Zimmer ist echt ok und bietet ein super Preisleistungsverhältnis. Ich denke an morgen und meine bevorstehenden 30 km und den Aufstieg nach Astorga – ich leg mich dann mal hin.
Denkt dran: Link verteilen, folgen, spenden und schickt mir Eure Bürgerfragen!!
Tag 21 | 21.07.2022, Reliegos – Leon, 26 km
Der Weg aus der Meseta und das Geheimnis des spanischen Frucht-Saftes
Pilgermenü gab es Mittwoch in der Herberge. Die Herbergsmutter hat selber gekocht und Ken und Olof aus Norwegen haben sich dazu gesellt. Dabei saßen auch drei Franzosen, die zwar Englisch sprachen, aber wohl offensichtlich nicht mit uns sprechen wollten. Dennoch konnte ich mich nicht zurückhalten – es gab wieder Pilgerwein zum Menü – habe ich gefragt, wie denn Franzosen den spanischen Wein finden. Mich starren drei völlig entgleiste Gesichter an und es herrscht absolute Stille. Oh, was habe ich denn da angerichtet. Dann spricht einer mit völlig ruhiger Stimme: Für uns ist das Fruchtsaft!! Gut, dann haben wir das auch geklärt. Unter Ken und mir bleibt dies der running Gag und erinnert mich an die Bier Diskussion um Pils und Kölsch: beides hat die ähnliche Alkohol Zahl, aber dennoch wird das eine als Wasser bezeichnet.
Kerzengerade stand ich heute nacht um 4 Uhr im Bett. Was ist denn das für ein Lärm. Ah die Franzosen machen sich für den Tag fertig. Kann man ja machen, aber ausgerechnet vor meiner Tür? Und muss man sich um die Uhrzeit noch lauthals unterhalten? Wahrscheinlich war es gar nicht sehr laut, aber die Nacht verschärft die Geräusche. An Schlaf war nicht mehr zu denken und so habe ich noch etwas geruht (so sagt man doch, wenn man im Bett liegt, die Augen geschlossen und nicht mehr schlafen kann). Um 5 Uhr hielt mich dann auch nichts mehr und ab in die Klamotten, raus auf die Straße. Die Sandalen sind eine wahre Wonne: ich kann laufen. Kurz hinter dem Ort konnte ich ins Tal sehen und da es noch dunkel war, sah ich in der Ferne die Lichter von Leon. Da will ich hin!!
Die Etappe schlängelt sich entlang einer kleinen Straße und führt den Berg hinab ins Tal, herunter von der Meseta und immer weiter Galicien entgegen. In einem echt kleinen Dorf habe ich doch tatsächlich Unterflur Abfallcontainer gefunden? Das allgemeine System der Abfallwirtschaft in Spanien ist das Bringsystem. Das heißt die Bürger:innen bringen ihren Abfall zu den am Straßenrand stehenden Abfallgroßbehälter. Nicht wie bei uns stehen die Behälter also nicht an jedem Haus. Getrennte Erfassung ist zwar angedacht, aber ich habe nicht das Gefühl, dass es wirklich gelebt wird. Das war im Baskenland besser.
Die Menschen hier sind auf alle Fälle sehr stolze Menschen. In der freien Provinz Castilla y Leon stehen überall entsprechende Schilder für die Pilger:innen mit dem Namen der Provinz und dem gelben Pfeil (gelb finde ich ja gut :-)) und je nachdem wo man gerade ist wird entweder das Castilla oder das Leon geschwärzt. Also manchmal…..Komisch die Spanier!!
Langsam arbeite ich mich nach Leon vor und gönne mir noch eine kleine Pause in einem kleinen Dorf – wie passend. Es gibt arme Ritter. Witzig! So was haben die hier auch. Als ich den Besitzer der Bar frage, was denn das für eine Speise im Tresen ist, beschreibt er mir das und es handelt sich offensichtlich um arme Ritter auf Spanisch. Ich erzähle ihm, wie es in Deutschland heißt und er muss lachen.
Endlich taucht Leon auf und die Kathedrale ist auch schon zu sehen. Leider wird die Geduld der Pilger:innen noch auf eine harte Probe gestellt, denn bis zur Kathedrale heißt es noch mindestens 8 km durch die Vororte von Leon zu laufen. Aber dann auf dem Vorplatz der Kathedrale angekommen ist man versöhnt und es kommt so was wie ein Glücksgefühl auf: ich habe es geschafft. Fotos machen, nach Hause schicken, Stempel holen und ab ins Hotel. Ne vorher noch was essen und wie blöd schaue ich immer auf die Kathedrale. Was ein tolles Bauwerk außen wie innen und gehört eben auch zu den wichtigen Kathedralen des Landes. Ich bin wieder hier auf dem Jakobsweg wie vor drei Jahren, aber mit einem völlig neuen, besseren Gefühl.
Abends bin ich noch mit Aaron, Alan seinem Vater und Ken zum Essen verabredet. Es heißt Abschied nehmen, denn die drei werden ihren Weg anders fortsetzen. Alan hat nicht so viel Zeit und doch wollen sie zusammen nach Santiago einlaufen. Das heißt also Strecke skippen. Alan überrascht mich dann noch besonders. Ich erzähle ein bisschen, was ich mache und er gibt mir 10 Euro mit den Worten: ich verstehe zwar nicht ganz was Du machst, aber Du bist toll. Ich bin völlig gerührt und erzähle ihm dann ausführlich, für was das Geld eingesetzt wird: unsere Kinderakademie!!
Also lieber Leser:innen, macht es ihm nach und spendet. Ich tue es auch!! Wir können den Unterschied machen und Umweltbildung ist wichtig wie nie zuvor. Wir brauchen EUCH!!!
Denkt dran: Link verteilen, folgen, spenden und schickt mir Eure Bürgerfragen!!
Die Tage 1 bis 20 findet Ihr hier:
Eure Meinung ist mir wichtig. Daher macht bei meiner Umfrage mit. Je mehr Antworten ich bekomme, desto besser die Auswertung.
Frage 1: Wie oft und bei welcher Tätigkeit denkst Du an Abfall?
Frage 2: In Deutschland trennen wir Abfall direkt am Haus. Wie sinnvoll ist das?
Frage 3: Wie kann noch Abfall vermieden werden? Was und Wer kann was tun?
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